[h2]Und die türkischen Verhältnisse gleichen sich den deutschen an[/h2]
Die Türkei hat viel vor. Bis zum Jahr 2023, so hat sich die Regierung der konservativ-islamischen AKP vorgenommen, soll das Land unter die zehn größten Volkswirtschaften aufgerückt sein. Dafür müsste es bis dahin im Schnitt um etwas
über acht Prozent jährlich wachsen, hat
Today's Zaman, die englischsprachige Ausgabe der größten Tageszeitung des Landes, am Montag vorgerechnet. Das hört sich reichlich ehrgeizig an, aber andere Länder wie Taiwan oder Südkorea haben das in den letzten Jahrzehnten auch geschafft. Aktuell zeigt China gerade, dass ein so hohes Wachstum durchaus über einen längeren Zeitraum aufrecht gehalten werden kann.
Auftrieb erhalten türkische Optimisten durch die Daten für das erste Quartal 2010. Um beachtliche 11,7 Prozent hat die Wirtschaftsleistung in den ersten drei Monaten gegenüber dem Vorjahr
zugelegt. Vorsichtige Beobachter machen allerdings darauf aufmerksam, dass damit noch nicht einmal ganz das Vorkrisenniveau wieder erreicht wurde.
Angetrieben wird die wirtschaftliche Erholung vor allem vom starken Binnenmarkt und dort insbesondere vom privaten Konsum. Dabei wachsen die Importe schneller als die Exporte, ein deutliches Zeichen der Probleme, die die Außenhandelswirtschaft mit der seit einigen Monaten zu starken Türkischen Lira hat.
Wie dem auch sei, die Türkei gehört ganz offensichtlich zum Kreis jener dynamischen Schwellenländer, denen die aktuelle Krise kaum etwas anhaben kann. Schon jetzt steht sie ökonomisch besser da, als manches der neuen EU- Mitglieder. Das Wohlstandsgefälle zwischen ihr und Westeuropa ist in den letzten 20 Jahren deutlich flacher geworden. Das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt hat sich seit 1990 fast verfünffacht. 2008 betrug es 9.020 US-Dollar pro Kopf, grob gerechnet ein Viertel des deutschen Wertes (40 874).
Unterm Strich lässt sich sagen, dass sich die Türkei in atemberaubenden Tempo entwickelt und eine wesentlich dynamischere Gesellschaft hat als Deutschland. Umso ärgerlicher ist die Ab- und Ausgrenzung, die deutsche Stammtischpolitiker noch immer gegenüber der Türkei und den türkischen Einwanderern betreiben. Trotz Fachkräftemangels haben Ingenieure und Akademiker aus Einwandererfamilien kaum eine Chance, in Deutschland eine Arbeit zu finden. Viele sind gezwungen, erneut auszuwandern, manche in das Heimatland ihrer Eltern oder Großeltern. Derweil machen deutsche Konsularbürokraten weiter Geschäftsleuten, Künstlern und Intellektuellen
das Leben schwer, die nach Deutschland reisen wollen. Ob man vielleicht Angst hat, die Türkei könnte die Teutonen mit ihrem dynamischen Geist anstecken?
TP: Die Türkei holt auf